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Dahn im Februar 2008


Vier Stolpersteine in Dahn entfernt

Von Otmar Weber



Auf Verlangen der israelischen Familie N. wurden am 30. Januar 2008 in Dahn vier Stolpersteine entfernt, die zum Gedenken ihrer ermordeten Angehörigen am 21. November 2007 gesetzt worden waren.

Diesem einmaligen Vorgang widmete die größte israelische Zeitung „Jediot Ahronot“ einen ausführlichen und ausgewogenen Bericht, der in der Wochenendausgabe am 08. Februar 2008 erschienen ist. Der Berliner Korrespondent der „Jediot Ahronot“, Eldad Beck, sprach über diesen Vorgang mit der betroffenen Familie N. in Israel, dem Künstler Gunter Demnig in Köln, der das STOLPERSTEIN-Projekt initiierte und mit Otmar Weber, der die STOLPERSTEIN-Verlegung in Dahn, Busenberg und Erlenbach organisierte.
Nach einer kurzen Vorstellung des STOLPERSTEIN-Projekts lässt der Bericht zuerst die Familie N. aus Israel ausführlich zu Wort kommen. Diese reagierte mit Erschütterung, als ihr bewusst wurde, dass die Steine in den Boden gelegt werden und dass Menschen drauf treten können. Die Familie war nicht damit einverstanden, dass man wieder auf ihre Lieben tritt. Außerdem widerspräche diese Form des Gedenkens absolut den Grundsätzen der jüdischen Religion.
Familie N. verlangte, sogleich die Gedenksteine zu entfernen, denn Menschen ehren nicht notwendigerweise das Andenken ihrer Lieben, viele treten bewusst drauf, spucken, beschmutzen das Andenken, das für sie heilig und teuer ist. Außerdem ist niemand berechtigt ohne Zustimmung der Familien N. die Namen derer zu benutzen, die für sie teuer und heilig sind. Die Familienangehörigen baten die Initiatoren des STOLPERSTEIN-Projekts eine Anbringung der Steine an der Wand des Hauses in Betracht zu ziehen, in dem die Angehörigen einst wohnten, um die Verletzung der Totenehre zu vermeiden.

Der Künstler Demnig lehnt diesen Vorschlag ab, denn erstens ist es gerade die ursprüngliche Idee des Projekts, dass Menschen beim Gehen auf die Steine gestoßen werden und „geistig stolpern“, d.h. sie beginnen Fragen zu stellen und zweitens ist es problematisch, Steine an Hauswänden anzubringen, da viele Hausbesitzer dies ablehnen. Die Gehwege gehören den Kommunen, die in der Regel leichter zu überzeugen sind als Privatpersonen.
Für Gunter Demnig war es das erste Mal, dass er auf Widerstand einer vom Holocaust betroffenen Familie stieß und gezwungen wurde, der Entfernung der Steine zuzustimmen. Er fragte bei den Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Köln an, ob es ein halachisches Gesetz (Jüdisches Gesetz) gibt, welches die Setzung von Gedenksteinen in den Boden wegen der Totenehre verbietet. Demnig bekam die Antwort, dass es ein solches Gesetz nicht gibt.
Nach Otmar Weber, der das Projekt in Dahn und Umgebung organisiert, handelt es sich bei den STOLPERSTEINEN nicht um Grabsteine. Das Ziel des Projekts, so Weber, ist das Gegenteil von dem, was die Nazis tun wollten: Die Nazis wollten die totale Vernichtung ihrer Gegner, das Andenken und die Namen ihrer Widersacher und Gegner sollten absolut auslöschen werden. Das Projekt verleiht den Opfern von neuem ihre Namen und ihre menschliche Würde und führt sie zurück an den Ort, wo sie wohnten. Deshalb bedauert Weber, dass die Steine entfernt werden mussten. Aber der Wunsch der Familie ist selbstverständlich zu respektieren.
Der Journalist Eldad Beck, der die Pro- und Contrapositionen zum STOLPERSTEIN-Projekt in Deutschland sehr genau kennt, wollte mit seinem Bericht in Israel eine Diskussion darüber anstoßen. Die Reaktionen, die bisher aus Israel eintrafen sind ermutigend.

Noch am Morgen des Erscheinens des Berichts mailte Herr Zur aus Haifa, dass er sich seit der Ermordung seines 17jährigen Sohnes, der im März 2003 mit 16 weiteren Opfern durch einen arabischen Selbstmordattentäter in einem Bus in die Luft gesprengt wurde, intensiv mit Erinnerungs- und Gedenkarbeit beschäftigt. Er bezeichnet das STOLPERSTEIN-Projekt, von dem er schon gehört habe, als ein wundervolles Projekt, das den Menschen hilft, sich zu erinnern. Es bedrängt Menschen nicht und ist ein moderater Weg der Erinnerung. Die Organisatoren sollen wissen, so fährt er fort, dass es noch andere Sichtweisen in Israel gibt. Er rät die Erinnerungsarbeit fortzusetzen und sich von der Meinung einer einzigen Familie nicht entmutigen zu lassen.
Aus Jerusalem berichtet Herr Salmon, dass er mit Begeisterung die Aktion Stolpersteine verfolge und alles bewundere, was in dieser Hinsicht geleistet wird. Dass jemand sich gegen Benutzung seines Namens, ohne zuerst befragt zu werden, wehrt, kam ihm nicht in den Sinn. Seine Stellungnahme zu dieser Problematik ist, dass die STOLPERSTEIN-Aktion nicht unterbrochen werden soll, aber das Einverständnis der überlebenden Familie einzuholen ist.
Herr Avi aus Bat Yam schreibt, dass er anfangs über die STOLPERSTEINE etwas entsetzt war. Er befürchtete, dass einige seiner Glaubensgenossen es falsch verstehen und einige Unverbesserliche in Deutschland diese Steine mit Absicht verachten und beschmutzen werden. Dagegen fand seine Frau Tsipi, eine Geschichtslehrerin, die Idee großartig und sehr lehrreich. Inzwischen ist auch Herr Avi überzeugt, dass die Ziele der STOLPERSTEINE wichtiger sind als seine früheren Bedenken. Auch er fordert, dass bei Überlebenden deren Einwilligung einzuholen ist.

Dies ist auch im Sinne des Organisators der STOLPERSTEINE im Wasgau. Danach müssen für eine STOLPERSTEIN-Setzung drei Voraussetzungen erfüllt sein:
1) Das Opfer muss direkt oder indirekt ein Opfer der NS-Gewalt sein.
2) In der betreffenden Kommune müssen sich Gemeinderat bzw. Stadtrat für eine Verlegung im öffentlichen Raum aussprechen.
3) Lebende Nachkommen der Opfer - soweit bekannt - müssen um ihr Einverständnis gefragt werden.

Selbstverständlich ist auch Familie N. – wie alle noch betroffenen Holocaustüberlebenden – vorab informiert worden. Leider kam es in diesem Fall auf Grund eines sprachlichen Missverständnisses zu dem tragischen Missgeschick.
Von den sechsunddreißig für jüdische Opfer des Holocaust im Wasgau verlegten STOLPERSTEINE wurde ein Drittel von Überlebenden der Opfer finanziert; die restlichen Steine konnten auf Grund von Patenschaften und Spenden gesetzt werden.
Die vielen Mails, Schreiben und Telefonanrufe aus Israel, den USA, Südamerika und Frankreich, die in den letzten Tagen und Wochen den Organisator erreichten, äußern sich in ihrer überwältigenden Mehrheit positiv zum STOLPERSTEIN-Projekt und fordern zum Weitermachen auf.

Der Artikel orientiert sich an einem Bericht aus der israelischen Zeitung Jediot Ahronot.
Die STOLPERSTEIN-Aktion im Wasgau ist auf der Homepage von Yossi Zur unter http://www.ezy.co.il/inner.asp?page_id=20 zu finden.



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